Freitag, 9. Dezember 2011

Die Lust des Tormanns beim Elfmeter

(hai) Andreas Luthe hat keine Chance. Und nutzt sie. Immer wieder. "Ein Fußball-Profi muss einen Elfmeter reinmachen, eigentlich immer", sagt er, "oder zumindest in 95 Prozent der Fälle. Das erwarte ich." Jetzt ist Andreas Luthe zwar Fußball-Profi, aber er hat noch nie einen Elfmeter verwandelt. Denn er steht auf der anderen Seite, auf der Linie, im Tor des Zweitligisten VfL Bochum. Und dort macht er dann deutlich seltener einen Fehler als der Spieler, der zum Elfmeterpunkt schreitet.

Andreas Luthe , 27-jähriger Keeper des VfL Bochum,
ist der mit Abstand 
beste deutsche Elfmetertöter der Gegenwart.  
(Foto (c): Thomas Ottensmann)
In der Saison 2010/2011 als der VfL erst in der Relegation gegen Borussia Mönchengladbach (damals noch mit Marco Reus, Roman Neustädter und Dante) den Wiederaufstieg mit 68 (!) Punkten unfassbarerweise verpasste, hielt er beispielsweise sechs von acht Strafstößen in Folge. Der aus Velbert vor dreizehn Jahren zum VfL gewechselte 1Meter94 große Mann hatte damit eine Erfolgsquote von 75 Prozent. Der helle Wahnsinn. Das schafften vor ihm nicht einmal die als Elfmeterspezialisten bei Fußball-Romantikern legendären Rudi Kargus, Jörg Butt oder Andy Köpke, die in Fußball-Deutschland immer noch als Elfmeterkiller par excellence gelten. 


"Wenn der Luthe im Tor steht, treten wir gar nicht mehr zum Elfmeter an", hat in der besten Elfer-Saison Luthes mal ein Offizieller von Alemannia Aachen gesagt. Und der muss es wissen. Aachen (mittlerweile in der 4.Liga, also der Regionalliga West, zuhause) bekam in drei Spielen gegen Bochum drei Strafstöße zugesprochen, dreimal ging der Ball nicht rein, zweimal hielt Luthe seinen VfL im Spiel, einmal die Latte. Bochum gewann beide Spiele gegen die Alemania. Der Autor dieser Zeilen war im Drei-Elfmeter-Spiel in Aachen übrigens Augenzeuge.


Glaubt man dem Schriftsteller Peter Handke, dann ist es der Tormann der beim Elfmeter Angst hat. Außer wenn der Torwart Luthe heißt. Wissenschaftliche Studien belegen zudem das Gegenteil: Dem Elfmeterschützen schlottern die Knie. Warum sollte der Keeper auch Angst haben? Genau genommen ist dieses einseitige Duell ja unfair, für den Torwart nahezu aussichtlos. Denn das Tor - jeder, der mal drin stand, weiß das - ist riesig: 2Meter44 hoch und 7Meter32 breit. Im Mutterland des Fußballs, auf der britischen Insel - daher das im metrischen System so krumme Maß - waren das in den Anfängen 8x24 Fuß. Und dann kommt da einer aus elf Metern frei zum Schuss und kann sich die Ecke aussuchen. Klingt einfach. Der Torwart hat keine Chance. Er weiß ja nicht, wohin der Ball kommt.


Um es mit Wayne Rooney zu sagen: "Ich ziele nie. Denn wenn ich nicht weiß, wohin ich schieße, woher soll es dann der Torwart wissen?" Gute Frage. Cooles Zitat. Das auch dem 2011 laut Kicker-Rangliste besten deutschen Zweitliga-Keeper (Notendurchschnitt 2,68) recht gut gefällt: "Geiler Spruch." Und: "Wayne Rooney hat recht." 

Soweit so gut, aber warum hält Andreas Luthe dann diese vermaledeiten Elfer so oft und so gerne? Er behauptet in Interviews ja nicht selten, dass da auch viel Glück dabei sei. Wirkt aber in der Realität, die bekanntlich aufm Platz liegt, nicht so. Cool, konzentriert und abgezockt, so steht Andreas Luthe vor dem Strafstoß auf seiner Linie. Sehr lange steht er dort, lässt den Spieler zappeln, bietet ihm keine Ecke an, macht keine Faxen. Der Keeper konzentriert, der Spieler konsterniert. So war es in der Verganenheit sehr oft. 

In der 2. Liga hatte 2011 nur ein einziger Spieler einen Strafstoß gegen den VfL Luthe, versenkt. Silvio von Union Berlin hieß der Glückspilz. Aber der spielt nicht mehr in der zweithöchsten Profiliga Deutschlands. Verdienst des Torwarts? Andreas Luthe, bescheiden, höflich und aufgeräumt, winkt ab: "Wenn einer einen Elfmeter nicht verwandelt, dann hat er einen Fehler gemacht." So einfach ist das.

(In Kürze i
m Exklusiv-Interview mit Blog7Andreas Luthe über den ominösen Punkt, seine Liebe zur italienischen Sprache und warum er einst so gern in der Geschäftsstelle des VfL Bochum in der IT-Abteilung arbeitete.)


[Text und Foto von Hacky Wimmer 
(c) für Blog7]

1 Kommentar:

Stephan Weber hat gesagt…

"wenn ich nicht weiß, wohin ich schieße, woher soll es dann der Torwart wissen?" auch wenn die Engländer im Fußball ja sonst nicht gerade unsere Freunde sind, der Spruch ist einfach großartig :D noch geiler als "der Ball ist rund und ..."